Über die Parallelen von Bethel und Bauhaus | nw.de

2022-09-24 14:34:06 By : Ms. JANE MA

Die Zuschauer freuen sich über einen inspirierenden Abend über das Leben und Wirken der Bauhaus-Textilkünstlerin und langjährigen, prägenden Bethel-Weberei-Leiterin Benita Koch-Otte.

Oerlinghausen. Eine interessante Frau lernten die rund vier Dutzend Besucher der zweiten Stadtbuch-Veranstaltung im katholischen Gemeindehaus kennen: Benita Koch-Otte. Die Textilkünstlerin und Pädagogin führte ein Leben „zwischen Bauhaus und Bethel“, so der Titel des Vortrags von Irene Below und Christine Ruis, der gut ankam.

Die Protagonistin Martha aus dem Roman des diesjährigen Stadtbuchs studiert am Bauhaus. „Diesen Aspekt – Frauen am Bauhaus in den zwanziger Jahren wollten wir weiterverfolgen“, berichtete Viktoria Affeldt einleitend.

Wie gut, dass sich mit Irene Below eine Kunsthistorikerin fand, die über das Leben und Wirken einer prägenden Persönlichkeit am Bauhaus und später in Bethel geforscht hat. Noch besser, dass die Schauspielerin Christine Ruis ausdrucksvoll und empathisch aus den Briefen der Künstlerin vortrug und ihr so eine Stimme gab.

„Wo Wolle ist, ist auch ein Weib“

Im frauenfeindlichen Bauhaus wurde einzig die Textilwerkstatt den weiblichen Studenten zugewiesen. „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib“, zitiert die junge Benita Otte ein Klischee, das den Frauen aber auch „größere Freiräume zum Experimentieren“ bot. Walter Gropius lobt die stellvertretende Leiterin der Webereiabteilung als „hervorragende Fachfrau“, die „zu den bestausgebildeten Persönlichkeiten“ des Bauhauses gehöre. Ihr heute bekanntestes Werk ist ein Kinderteppich, der mit geometrischen Figuren Anregung zum Spielen gab.

Doch die Vielfalt ihrer Fähigkeiten und die hohe Wertschätzung, die sie auch als Leiterin der Webereiwerkstätten auf Burg Giebichenstein in Halle erfuhr, endete mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten. Benita, die durch ihre Hochzeit mit dem Mähren Heinrich Koch ihre deutsche Staatsbürgerschaft verloren hatte, versuchte einen Neuanfang im Exil in Prag. Als ihr Mann dort 1934 nach einem Verkehrsunfall starb, ging sie zurück nach Deutschland.

"So was von konservativ, ist unvorstellbar"

Bethel war sodann ihr neues Zuhause, wenn sie auch lange brauchte, um sich mit dem lutherischen Christentum dort anzufreunden. Die Zuhörer schmunzelten über Benita Koch-Ottes Beschreibungen. „So was von konservativ ist für unsere armen Köpfe unvorstellbar“, berichtet sie ihrer Freundin Gunta Stölzl. Immerhin gehe es „nicht um Geld oder Ehrgeiz“.

„Die Hoffnung auf eine politikfreie Nische in der Weberei stellte sich als Illusion heraus“, berichtete Below. So konnte die künstlerische Leiterin der Weberei nicht ablehnen, als sie den Auftrag für einen Wandbehang mit Reichsadler und Hakenkreuz für das Amt Gadderbaum und danach für das Standesamt Brackwede abliefern sollte.

Doch schaffte sie es, durch alle politischen Bedrohungen und Materialengpässe, in den Zeiten von Euthanasie und Kriegselend, die Weberei offen zu halten. Sie lieferte „einen wesentlichen Beitrag zur Rettung von (behinderten) Mitarbeiterinnen und gegen die Ausgrenzung“, so Below.

Immer mehr weiß sie die „Kraft der Gemeinschaft, die nicht sich selbst meint und dadurch bindet“ zu schätzen und sieht eine Gemeinsamkeit zwischen Bauhaus und Bethel: „Die Einbindung aller, die innerste Linie“. Benita Koch-Otte verzichtete jedoch bei ihrem Wirken in Bethel auf die eigene künstlerische Tätigkeit, auch wenn sie ein eigenes kunsttherapeutisches Konzept entwickelte.

"Erst hochgelobt, dann vergessen, wieder entdeckt"

„Sie wurde erst hochgelobt, dann vergessen, wieder entdeckt“, berichtete Below. Aufgrund der zwei Teppiche mit Hakenkreuz werde sie seit ein paar Jahren verachtet. „Seitdem gilt sie als kontaminiert, das empört mich wirklich“, sagte die Kunsthistorikerin. Sie freute sich über die vielen Stoffe, die Mitarbeiterinnen der Bethel-Weberei mitgebracht hatten und die auf den Vorlagen von Benita Koch-Otte basieren. „Hier lebt ihr Werk weiter.“

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